29. September 2022

Da stimmt was nicht!

Wie ein Bremer Kanaldeckel in mehrfacher Hinsicht für Diskussion sorgte

Abwasserentsorgung sehr gut – Rechtschreibung ungenügend – so könnte es wohl in einem Zeugnis über die Leistungen der Bremer Stadtentwässerung (heute hanseWasser) stehen. Davon zeugt ein fataler Rechtschreibfehler auf vielen Kanaldeckeln, die in der Bremer Innenstadt das Straßenpflaster zieren. Der Schriftzug „Stadtentwässerrung“ prangt da unter dem Bremer Schlüssel auf der gusseisernen, runden Abdeckung der Kanalschächte.

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Sein Sie ehrlich, hätten Sie den Fehler auf Anhieb entdeckt? Wenn nicht, sind Sie in guter Gesellschaft: Weder denen, die diese Deckel hergestellt, sie eingebaut oder gewartet haben, ist der Fehler aufgefallen, noch hat man sich in der Bremer Öffentlichkeit frühzeitig darüber mokiert.

 

Erst als die Deckel schon bald 30 Jahre zum Straßenbild gehörten, musste ein junger Mann aus Köln anreisen, um auf den Fehler aufmerksam zu machen. „Das reiht sich ein in die Ergebnisse der PISA-Studie“, meint er trocken. Kurioserweise gibt es aber auch Wappendeckel ohne diesen Schreibfehler – und diese wohl auch aus der gleichen Lieferzeit. Am Ende kann man jetzt nicht mehr feststellen, ob diese früher oder später gegossen wurden und ob der Fehler dann nicht doch schon in der Produktion auffiel und bei der Lieferung unter den Tisch fallen gelassen wurde. Kenner der Materie bestehen jedoch darauf, dass die fehlerhaften Deckel die wertvolleren sind, sozusagen die „Blaue Mauritius“ unter den Kanaldeckeln!

Ein echter Hingucker

 

Um die sogenannten Schmuckdeckel mit dem Bremer Schlüssel rankt sich eine weitere Geschichte, die es wert ist, überliefert zu werden. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hatten Mitarbeiter*innen der Bremer Stadtentwässerung die Idee, dem Vorbild anderer Städte folgend, Kanaldeckel im Innenstadtbereich mit dem Stadtwappen, der „Bremer Schlüssel“, zu schmücken. Das sollte ein Hingucker sein, um auf das aufmerksam zu machen, was an wichtigen städtischen Funktionen unter der Straße verborgen ist. Sollte aber auch mit einem gewissen Stolz den Tourist*innen unser Stadtwappen zeigen. Wie sagt man doch in Bremen gern: „Die Hamburger haben das Tor zur Welt in ihrem Wappen, wir haben den Schlüssel dazu!“

 

Einen Haken hatte die Sache jedoch: Ein Schmuckdeckel war ungefähr 35 Deutsche Mark teurer als ein schmuckloser Deckel. War man einerseits voller Vertrauen zu den Fachleuten, die für Millionenbeträge Kanalrohre in der Erde verbuddelten, war man andererseits höchst misstrauisch, wenn es sich um kleinere überschaubare Ausgaben handelte. Würden da nicht für zweihundert solcher Deckel Abwassergebühren verschleudert?

 

Die hochnotpeinliche Entscheidung fiel schließlich auf Regierungsebene – mit einer Begründung, die bemerkenswert ist. Der damalige Leiter der Stadtentwässerung trug das Projekt dem Vertreter des Bausenators, dem damaligen Senatsbaudirektor Eberhard Kulenkampff, vor. Der war eine in jeder Hinsicht beeindruckende Persönlichkeit, von seiner Statur, seiner Gestik, seiner Kreativität und seiner Durchsetzungskraft, aber gelegentlich auch von seiner Schroffheit her. Lange saß man sich an seinem großen Schreibtisch ratlos gegenüber und Kulenkampff kratzte sich unschlüssig am Kopf. Plötzlich sprang er auf, hieb mit seiner großen Pranke auf den Tisch und verkündete: „Jawohl, das machen wir! Denn wenn in tausend Jahren Bremen längst untergegangen ist und die Archäolog*innen diese großen runden Taler mit dem Bremer Wappen ausgraben, werden sie sagen: So große Geldstücke, die müssen damals aber reich gewesen sein!“ Eine tröstliche Vorstellung bei der notorischen finanziellen Knappheit Bremens!

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